Was machst du eigentlich so als Peer? Teil 2: Recovery und Peer Arbeit

Recovery und Peer-Arbeit gehen Hand in Hand

Wo immer ein*e Peer unterwegs ist, ist Recovery nicht weit. Recovery ist die Haltung, die mit Peer-Arbeit eng verbunden ist. Als ich das erste Mal in meiner Ausbildung von Recovery gehört habe, hielt ich es nicht für besonders bedeutend. Ein weiterer englischer Begriff, ein weiteres Konzept, ich dachte ich hätte das Wort wohl bald wieder halbwegs vergessen. Aber ich lag falsch. Recovery ist heute DIE zentrale Haltung, mit der ich arbeite. Auch die Gruppen, welche Peers in den jeweiligen Insitutionen anbieten, heissen deshalb in aller Regel Recoverygruppen.

Bedeutung von Recovery

Recovery bedeutet einfach übersetzt Wiederherstellung oder Gesundung. Die Peer-Szene definiert Gesundung sehr weit. Es geht nicht primär darum, dass alle Symptome verschwinden oder das Leben wieder komplett „normal“ und krisenfrei wird. Insbesondere die Arbeitsfähigkeit steht dabei deutlich weniger im Zentrum als wenn Genesung aus Sicht der Medizin bewertet wird. Vielmehr geht es darum möglichst selbstbestimmt und lebendig ein für sich stimmiges Leben zu gestalten. Ziel ist, dass ein Mensch seine ganz individuellen Fähigkeiten entwickeln und in die Gesellschaft einbringen kann. Ob das nun mit oder ohne Symptome, Medikamente oder professioneller Hilfe passiert, muss jede*r für sich herausfinden. Die Beratung durch Peers kann dabei unter Umständen sehr hilfreich sein. Auch in meiner Recoverygruppe dreht sich alles darum, wie ein gutes Leben nach einer Krise oder mit einer chronischen Erkrankung aussehen kann.

Ein Peer alleine macht noch kein Recovery

Damit Nutzer*innen einer Institution ihren Recoveryweg gehen können, reichen die Anstellung einer Peer und Einzelberatungen keineswegs aus. Vielmehr muss die Institution als Ganzes sich auf den Recoveryweg machen. Die zentrale Frage lautet deshalb nicht: „Stellen wir einen Peer an oder nicht?“, sondern „Wieviel Recovery ist eigentlich in unserer Institution vorhanden?“. Das heisst, dass Strukturen und Konzepte recoverykonform werden müssen. Ein*e Peer berät deshalb idealerweise das ganze Mitarbeiterteam. Diese ganzheitliche Veränderung einer Institution ist ein grosse und langfristige Arbeit und kann nur als Team bewältigt werden. Je nach Lernbereitschaft und Veränderungswille der Institution gelingt dies besser oder schlechter. Recovery ist dabei kein abschliessender Prozess, sondern ein langer gemeinsamer Weg, wo nicht alles von Anfang an perfekt laufen muss

Der Recovery-Spirit hat mich erfasst

Für mich hat sich der Begriff Recovery in den letzten sieben Jahren seit meiner Ausbildung immer stärker mit Leben gefüllt. Ich habe mittlerweile verstanden, dass Recovery nicht nur ein Begriff, sondern auch eine ganze Bewegung ist. Ich höre immer wieder gerne, was andere auf ihrem Recoveryweg unterstützt hat und lerne dadurch immer wieder neue Aspekte kennen. Ein besonderes Highlight sind Recoveryanlässe, wo Fachleute und Betroffene zusammen treffen und sich austauschen. Dann ist der Recovery-Spirit und dessen Kraft besonders gut spürbar.

Wer Recovery kennen lernen möchte, kann Anlässe dazu besuchen. Viele Psychiatrien führen „Recovery praktisch“ Weiterbildungen durch, 2022 gibt es erneut einen Recoverykongress in der Schweiz und das „Netzwerk Recovery“ trifft sich zweimal pro Jahr zu einem Thema rund um Recovery. Diese Anlässe sind sowohl für Fachleute als auch Betroffene geeignet und beziehen sich alle auf Recovery in der Psychiatrie. Recovery als Haltung lässt sich aber gut auf viele Formen von chronischer Erkrankung übertragen.

2 Kommentare

  1. Loebe Nicole durch Christa Schwab,die deinen Beitrag auf FB geteilt hat,durfte ich deinen Beitrag zu Recovery lesen.ich arbeite in belasteten Familiensystemen,habe 6 Jahre im psychiatrischen Ambi mit Peers gesabeitet und den Recoveryansatz so kennengelernt.
    Nun leite und unterrichte ich im Lehrgang Psychiatrische Pflege und Betreuun.Recovery ist bei uns ein grosses Thema,wir haben auch Peers die zum Thema unterrichten.dürfte ich deinen Blogeintrag in dem Einführungstag verwenden,er beschreibt es so gut.

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