Fasten – ein kleines Abenteuer im Bereich der Naturheilkunde

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Ich war begeistert als mir mein Partner von der Idee erzählt hat, fasten zu gehen. So richtig, in einem Fastenhotel. Eine Woche nur Saft, Yoga, Vorträge und Natur. Ein bisschen skeptisch war ich schon, unsicher ob mein Körper das meistern würde. Aber mein Arzt gab grünes Licht und so ging ich frohen Mutes los. Ab in ein Kaff in den Bergen – den genauen Ort möchte ich hier nicht nennen. Die Leitung des Hauses, wo wir die Woche absolvierten, informierte ich im voraus darüber, dass ich aktuell nur teilweise leistungsfähig bin. Die Nachricht, die ich erhielt machte mich frohgemut: „Jeder kann eine Woche fasten, ausser er hat viel Blut verloren“.

Ganz so einfach wurde es dann doch nicht. Ich merkte, dass mein Körper gestresst war, ich schlief schlechter die beiden ersten Nächte. Sowieso fühlte ich mich durchwegs die ganze Woche schlapp, hielt aber tapfer durch. Es gab auch gewisse positive Anzeichen, einmal wagte ich gar eine kleine Wanderung. Erst als gegen Ende der Woche eine weitere Teilnehmerin in der Nacht mit der Ambulanz abgeholt wurde, und ich selbst langsam müde wurde auf den berühmten Durchbruch zu hoffen, wo man sich „fit und energetisiert“ fühlt, obwohl man kaum etwas isst, begann ich heimlich abzufasten. Gemüse und Früchte dafür hatte ich vorsorglich mitgebracht. Somit hatte ich Total 5 Tage gefastet. Plus zwei Vorbereitungstage, plus Aufbau nachher. Ich zweifle aktuell, dass mir diese Fastentage leistungstechnisch gut getan haben.

Ich habe mich selbstverantwortlich fürs Fasten entschieden, und so möchte ich auch niemanden beschuldigen, dass alles nicht ganz so toll lief, wie ich mir das erhofft habe. Und die Woche hatte auch ganz viel Gutes: Ich war abgeschieden, mit sehr wenig Handygebrauch, hatte genug Zeit um mich mir selbst zu widmen, zu lesen, Tagebuch zu schreiben und ich hatte mir dieses Abenteuer gewünscht. Mein Partner und ich haben Anregungen für den Ernährungsalltag Daheim erhalten und die Mitfastenden waren spannende und interessante Menschen.

Dennoch erinnerte mich einiges diese Woche wieder an eine Haltung, die ich oft antreffe im Bereich Naturheilkunde. Anbieter haben nicht selten eine ordentliche Portion Selbstüberschätzung wenn es darum geht chronische Erkrankungen bessern zu können. Und wenn man Einwände hat, dann wird man relativ rasch in die Ecke derjenigen gestellt, die sich mit negativen Glaubenssätzen selbst aufhält. Oder dann selbst Schuld ist, weil frau nicht noch diverse Zusatzbehandlungen in Betracht zieht. Ich meldete Anfang der Woche aufgrund der ersten beiden schlechten Nächte Bedenken an, und wurde ziemlich unsanft abgewürgt. Durchhalten war die Parole. Zusatzbehandlungen Ja, aber ja nicht abbrechen. Die Dinge müssten jetzt hochkommen, die müsse man anschauen (kleine Anmerkung: Ich bin seit 10 Jahren in Psychotherapie). Nach dieser angeheizten Diskussion in der Gruppe hatte die Leitung des Hauses mein Vertrauen bereits zu einem gewissen Grad verspielt.

Es ist nicht einfach, wenn man chronisch krank ist. Es ist immer wieder nötig, sich auf Dinge einzulassen. Auch ich plädiere dafür. Und gleichzeitig muss ich einen extrem guten Sensor dafür entwickeln, wann jemand einfach keine Ahnung davon hat, was eine chronische Erkrankung bedeutet. Ich bin hochgradig alarmiert, wenn Menschen mir versprechen, dass ich meine Erkrankung innert kurzer Zeit ganz wegbekomme. Oder allfällige negative Auswirkungen als „Erstverschlimmerung“ abtun. Dieser Begriff zieht sich durchs Band in der Naturheilkunde. Ich kann gar nicht mehr zählen, wieviele sinnlose Erstverschlimmerungen ich schon durchgestanden habe. Ich habe lernen müssen, dass ich selbst in meiner Verantwortung bin, die Schritte, die ich gehen kann, realistisch abzuschätzen. Und ich überprüfe Aussagen mittlerweile auf ihre Evidenz/nachgewiesene Wirksamkeit. Meist reicht ein Blick auf Wikipedia. Damit ich wenigstens weiss, auf was ich mich in Eigenverantwortung einlasse.

Ich habe nur sehr wenige Menschen getroffen, die mich rechtzeitig bremsten in meinem Leben. Sehr viele wendeten alle möglichen Methoden an, sowohl schulmedizinischer als auch naturheilkundlicher Natur, mit dem einen Ziel, dass die Krankheit „besiegt“ wird. Mit einer Haltung im Hintergrund, dass jeder Mensch vollständig gesund werden kann, wenn er nur will. Nur sehr wenige, kluge Menschen, haben sich erstmal darauf besonnen, dass ich lerne mit dem zu Leben, was ist, und meine Erkrankung akzeptiere und sie nicht „wegmachen“ will. Es ist letztere – zutiefst menschliche – Haltung, die mich nachhaltig wieder zurück ins Leben befördert und auch leistungsfähiger gemacht hat. Dahinter steckt auch die Idee, dass nicht alle Menschen vollständig gesund sein können und müssen. Dass nicht jeder gleich ist, sondern wir Menschen sehr vielfältig sind. Mit ganz unterschiedlichen Stärken und Schwächen.

Wenn ich diese Woche eines wieder gelernt habe, dann dass es sich durchaus lohnen kann, sich zu weigern gewisse Dinge zu tun, kritisch zu denken und sich rechtzeitig für sich selbst einzusetzen. Unter dem Deckmäntelchen der Naturheilkunde kann sich eine ordentliche Portion Hochmut gegenüber kranken Menschen verstecken. Dass nicht alle Menschen gleich funktionieren, dass auch langfristige Schwächen zum Mensch-Sein gehören und nicht alle sportlich und Holz hackend den Tag verbringen können, wird ausgeklammert.

Bild: U.Hürzeler

 

1 Kommentar

  1. Sehr schön gesagt. Ich denke, viele Menschen können es nur schwer aushalten, wenn jemand „Probleme“, resp. wohl diese Probleme schwer aushalten kann. Es ist dann eben einfacher, den Menschen „frei“ davon zu machen, damit man selber auch nicht mehr mit den Problemen dieses Menschen konfrontiert wird.

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