Was machst du eigentlich so als Peer? – Teil 1

Ich arbeite mittlerweile schon seit über 7 Jahren und in der zweiten Institution als Peer Mitarbeiterin. Aktuell in einem Wohnheim für psychisch erkrankte Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren. Peer-Arbeit gibt es seit etwa 10 Jahren in der Schweiz. Ich stelle gelegentlich fest, dass die Vorstellung davon, was ein Peer konkret im Arbeitsalltag macht, noch etwas diffus ist. Deswegen heute mal ein Blogbeitrag über meine Arbeit.

Was ist Peer-Beratung genau?

Peer bedeutet auf Deutsch „Gleichgestellte“. Peer-Beratung basiert darauf, dass Menschen, die viel Erfahrung mit chronischer Erkrankung oder Behinderung haben, andere beraten, die noch weniger Erfahrung haben. Wer als Peer in einer Institution arbeiten will, durchläuft in aller Regel eine Ausbildung, welche in meinem Fall etwa 1 Jahr (10 Module an 2-3 Tagen) gedauert hat. Ich bringe als Peer im Gegensatz zu anderen Fachleuten nicht primär Fachwissen, sondern Erfahrungswissen mit. Dieses schöpfe ich aus meiner eigenen Lebensgeschichte, aber auch aus den Erfahrungen, welche andere Menschen mit mir geteilt haben. Dieses Erfahrungswissen ist das wichtigste Arbeitsinstrument im Peer-Arbeitsalltag. Als Peer teile ich also immer wieder mit anderen, welche Lebensprozesse ich selbst erlebe oder andere erlebt haben und was dabei hilfreich war. Immer mit dem Bewusstsein, dass nicht alles für alle hilfreich ist. Ich wähle also ziemlich bewusst, was ich wo preisgebe. Im Gegenzug teilen auch meine Gesprächspartner*innen immer wieder wertvolles Erfahrungswissen mit mir.

Wichtiges Detail: Peers arbeiten bezahlt und erhalten einen Lohn, der ungefähr jenem einer Person mit Ausbildung „Fachangestellte Gesundheit“ entspricht.

Der Berufsalltag als Peer

Nicht jeder Peer-Job ist gleich. Genau wie alle anderen Mitarbeiter auch, habe ich einen Stellenbeschrieb, wo die Institution meinen genauen Auftrag als Peer festlegt. Der grösste Teil meiner Arbeit besteht im Moment aus Einzelgesprächen. Dabei kann ich ziemlich individuell auf die jeweiligen Bedürfnisse meines Gegenübers eingehen. Ich verfolge keinen fixen Fahrplan – jede*r Mensch entscheidet selbst – welches Thema er oder sie mit mir anschauen möchte. Manchmal arbeite ich mit Instrumenten (Karten und Ähnliches) die einen Einstieg erleichtern. Häufige Themen sind Selbstwert, die nächsten konkreten Schritte oder aktuelle Krisen. Ich betätige mich auch gerne als „Informationsschleuder“ und verlinke Menschen mit Informationen, spannenden Zeitungsartikeln oder Ideen zu einem Thema, das sie betrifft.

Ich rede sehr viel. Wer ist wo dran? Was mache ich als Peer, was macht die Bezugsperson? Was ist der nächste Schritt? Welche langfristigen Ziele sind da? Was brauchst du hier und heute? Wie geht es dir? Wie nimmst du die Situation wahr? Wie nehme ich die Situation wahr? Was habe ich selbst auf diesem Weg erlebt? Sind wir auf dem richtigen Weg?

Ein zweites, sehr zentrales Standbein meiner Tätigkeit ist die Recoverygruppe. Über Recovery als Thema und konkret die Gruppe schreibe ich noch mehr in Teil zwei dieses Blogbeitrags. Der dritte Aufgabenbereich ist die Beratung meiner Mitarbeiter. Sie stehen oft vor kniffligen Aufgaben, wenn der Zustand eines Menschen sich besorgniserregend verschlechtert oder allgemein schwierig ist. Ich teile dann mit Ihnen meine Sicht oder wir versuchen gemeinsam Lösungen zu finden. Wenn immer möglich finden solche Gespräche gemeinsam mit Bewohner*innen statt. Zudem halte ich immer mal wieder Inputs für das ganze Team. Das Ziel ist, dass das ganze Team laufend seine Recoveryhaltung reflektiert und diesbezüglich am Ball bleibt.

Genau wie alle anderen Mitarbeiter habe ich auch noch Ressortaufgaben. Meine Ressorts sind Garten und Deko. Der Garten benötigt vor allem jetzt im Frühling einiges an Aufmerksamkeit. Gemeinsam mit Bewohner*innen kaufe ich ein, jäte und ziehe im kleinen Rahmen Blumen und Gemüse auf.

Von einigen Aufgaben entlastet

Als Peer bin ich von einigen Aufgaben entbunden: Ich verteile keine Medikamente, ich muss keinen Nacht-Pikettdienst leisten, arbeite nicht an Wochenenden, trage weniger Verantwortung und bin auch nicht zwingend an jeder Teamsitzung mit dabei. Wenn ich mal krank bin ist es auch nicht so dramatisch, da ich nie alleine eingeteilt bin. Das Ziel einer Peer im Arbeitsalltag ist, dass sie sich einbringt, aber am Ende des Tages nicht die Last der Verantwortung mit sich nach Hause trägt.

Im nächsten Teil erfährt ihr mehr über den Begriff „Recovery“ und warum er im Zusammenhang mit Peer-Arbeit so wichtig ist.

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